Rudi Kramer und sein Nachfolger als geschäftsführender Vorstand beim Caritasverband Landau a. d. Isar e. V. Martin Hohenberger.Foto: Kreis-Caritasverband Landau
Fast 40 Jahre war Rudi Kramer geschäftsführender Vorstand beim Caritasverband Landau a. d. Isar e. V. Jetzt ist der "Lotse", wie er auch gewürdigt wurde, in den Ruhestand gegangen. Im Interview blickt er zurück und erklärt, was ihm wichtig ist.
Was hat Sie persönlich bewogen, gerade zur Caritas zu gehen?
Ich bin katholisch sozialisiert worden, war Ministrant, im PGR und in der kirchlichen Jugendarbeit (KLJB) aktiv. Ich wollte eine Arbeit, die ich als sinnstiftend empfinde und auf eine feste Wertebasis gegründet ist.
Welche Aufgaben haben Sie 1984 als Sozialarbeiter übernommen?
Schwerpunkte waren die Sozialstation mit der ambulanten Pflege, die Allgemeine Sozialberatung und die Gemeindecaritas mit der Suche und Begleitung von Ehrenamtlichen und der Zusammenarbeit mit den OCV.
Wie haben Sie die soziale Lage in Deutschland und in Ihrem Wirkungskreis damals erlebt?
Im Gegensatz zu heute herrschte eine hohe Arbeitslosigkeit, vor allem bei den Jugendlichen. Die Überschuldung von Haushalten nahm signifikant zu. Es kamen viele Asylbewerber aus Polen, wo damals das Kriegsrecht herrschte.
Wie hat sich unsere Gesellschaft verändert?
Die Individualisierung, aber auch Vereinzelung, hat zugenommen. Der direkte menschliche Kontakt nimmt immer mehr ab. Ursache dafür sind u. a. die Digitalisierung, sogenannte soziale Medien und der Trend zur Selbstoptimierung. Es herrscht zunehmender Arbeitskräftemangel. Der Einzelne wird immer mehr für seine Situation verantwortlich gemacht; gesellschaftliche Ursachen und Verantwortlichkeiten werden ausgeblendet oder geleugnet. Die Säkularisierung hat ein hohes Niveau erreicht, die Kirchen sind als moralische Instanz fast ganz ausgefallen und ihr Einfluss schwindet zusehends.
Welche neuen Felder hat der KCV im Lauf der vielen Jahre entwickelt?
Als neue Aufgabengebiete sind die Behindertenarbeit und verschiedene sozialpsychiatrische Angebote sowie die Flüchtlings- und Migrationsberatung mit ihren in der Geschichte unterschiedlichen Zielgruppen dazugekommen, etwa Asylbewerber, Flüchtlinge, Übersiedler, Aussiedler, ausländische Arbeitskräfte.
Wie haben sich neue Schwerpunkte ergeben?
Es sind, bedingt durch die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, demografischen und politischen Veränderungen, immer wieder neue Nöte entstanden. Für einen Teil davon wurden von staatlicher Hand neue Einrichtungen und Angebote geschaffen bzw. (teil)finanziert.
Wenn Sie zurückschauen: Worüber freuen Sie sich noch heute? Was bereitet Ihnen Sorgen?
Sorgen bereitet mir der Fachkräftemangel, die zunehmende Bürokratisierung und Digitalisierung, die zur Entfremdung und Entmenschlichung der Menschen führt. Es ist leichter einen Antrag abzulehnen, wenn er nur digital/schriftlich eingeht und ich dem Antragsteller nicht direkt ins Gesicht geblickt habe. Es werden immer mehr Ressourcen benötigt, die damit den Hilfebedürftigen entzogen werden. Freudige und erfolgreiche Projekte gab es viele; da kann ich keine einzelnen hervorheben. Die letzte war ein Sommerfest für die ukrainischen Flüchtlinge, bei dem viele Ehrenamtliche mitgewirkt und wir zahlreiche Spenden erhalten haben.
Was ist zentraler Auftrag der Caritas und was geben Sie ihr mit auf den Weg?
Anwalt und Lobbyist der Armen, Schwachen und hilfsbedürftigen Menschen bei uns und weltweit zu sein. Auf Nöte und Gefährdungen dieser Menschen aufmerksam zu machen. Solidarität zu stiften. Passende und not-wendige Angebote einzufordern und selbst anzubieten. Unsere Caritas ist nicht Mittel zum Zweck, sondern Kirche im eigentlichen Sinne und eine gleichberechtigte Grundfunktion, in der und durch die sich Kirche vollzieht und sichtbar wird. Der Gefahr der Nabelschau und des sich nur mit sich selbst und theoretischen Papieren beschäftigen gewahr bleiben. Keine modischen Randthemen aufgreifen, sondern für die Ärmsten und Hilfsbedürftigsten da sein. Einen angemessenen Teil der kirchlichen Ressourcen für die diakonische Arbeit einfordern.
Interview: Wolfgang Duschl