Immer mehr Menschen nehmen die Hilfe von Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Anspruch, allein zwischen 2019 und 2021 gab es einen Anstieg der Beratungsgespräche um 16% bei den Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen der Diakonie in Bayern.
Für den Arbeitskreis Schuldner- und Insolvenzberatung von links: Sabine Weiß, Caritasverband Diözese Passau und Jens Oestreicher, Diakonisches Werk PassauFoto: Diakonie Passau
Die Gründe dafür sind vielfältig- es können strukturelle Gründe wie Arbeitslosigkeit oder geringes Erwerbseinkommen sein (Deutschland hat mit 21% einen der höchsten Niedriglohnsektoren in der EU!). Oder unvorhersehbare Gründe wie Krankheit, Unfall, Trennung oder Scheidung, die nahezu jeden Menschen unvorbereitet treffen können. Auch der Hashtag #IchBinArmutsbetroffen auf X (vormals Twitter) zeigt, wie viele Menschen in Deutschland von Armut betroffen sind. So kann eine Verschuldung schnell zu einer Überschuldung führen.
Verschuldung bedeutet, dass man seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt und zahlungsfähig ist. Verschuldung ist volkswirtschaftlich gewollt und gesellschaftlich anerkannt. Man denke dabei an die vielen Angebote wie Leasing, 0%- Finanzierung, Jetzt kaufen, später bezahlen usw., wodurch es Verbrauchern sehr leicht gemacht wird.
Überschuldung bedeutet, dass der Schuldner seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Sätze wie "Die können halt nicht mit Geld umgehen" oder "Die mögen nicht arbeiten" mit denen überschuldete Menschen landläufig konfrontiert werden, sind nicht nur stigmatisierend, sondern oftmals auch unzutreffend. Es könnte jeden Menschen treffen, denn insbesondere unvorhersehbare Lebensereignisse können schnell dazu führen, dass man seinen Zahlungsverpflichtungen auf einmal nicht mehr nachkommen kann.
Daher kritisiert der Arbeitskreis Schuldner- und Insolvenzberatung von Diakonie und Caritas Passau die in der Überschuldungsstatistik des Statistischen Bundesamtes einseitige Darstellung des Überschuldungsgrundes "Unwirtschaftliche Haushaltsführung". In der Definition von DESTATIS heißt es dazu: "Unter unwirtschaftlicher Haushaltsführung versteht man einen wiederholt übermäßigen, überflüssigen Konsum, der über die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse hinausgeht, sowie auch eine mögliche fehlende finanzielle Allgemeinbildung." Damit wird der Auslöser der finanziellen Probleme auf die Ausgabenseite der beratenen Person gelegt. Dies ist jedoch in den meisten Fällen aus den genannten strukturellen sowie unvorhersehbaren Gründen unzutreffend, einseitig und greift im Hinblick auf die Ursachenbetrachtung zu kurz, wie auch verschiedene Stellungnahmen der Landesarbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege verdeutlichen.
Es ist mitnichten so, dass überschuldete Menschen arbeitsscheu wären oder nicht mit Geld umgehen könnten. Schulden sind für viele Menschen mit Scham und Stigmatisierung verbunden und führen oft in die Vereinsamung. Daher ist es umso wichtiger frühzeitig einen Beratungstermin bei einer sozialen Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle zu vereinbaren. Für Stadt und Landkreis Passau ist die Schuldnerberatungsstelle des Diakonischen Werkes Passau zuständig, für die Landkreise Freyung-Grafenau, Rottal-Inn, Regen und Deggendorf im Einzugsbereich des Bistums Passau sind die Schuldnerberatungsstellen des jeweiligen Kreiscaritasverbandes zuständig.
Für den Arbeitskreis Schuldner- und Insolvenzberatung:
Sabine Weiß, Caritasverband Diözese Passau
Jens Oestreicher, Diakonisches Werk Passau