Brücken bauen für straffällig gewordene Jugendliche und Heranwachsende. Dafür gibt es beim Diözesan-Caritasverbandes Passau die "Brücke Passau". Seit 1986 haben die jungen Menschen dort die Möglichkeit, sich beraten und helfen zu lassen, wenn sie mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. "Die begangenen Delikte reichen von einfachem Ladendiebstahl oder Schulschwänzen bis hin zu Drogenhandel oder schweren Gewaltdelikten" erläutert der Sozialpädagoge Marc Aubry.
Natürlich besuchen nur in den wenigsten Fällen die jungen Menschen die Beratungsstelle freiwillig, ergänzt er realistisch. Meist wurde ihnen vom Amtsgericht, per sogenannter jugendrichterlicher Weisung, auferlegt, Arbeitsstunden in einer gemeinnützigen Arbeit abzuleisten oder einen sozialen Trainingskurs zu durchlaufen. Das macht die Brücke Passau. Die Trainingskurse werden von den sozialpädagogischen Mitarbeitenden durchgeführt.
Und wenn Jugendliche eine Arbeitsauflage - landläufig auch Sozialstunden genannt - erbringen müssen, vermitteln die Mitarbeitenden der Brücke die passende Stelle und sorgen dafür, dass sie beim Ableisten der Stunden die entsprechende Begleitung haben. Also auch Ansprechpartner für die Einsatzstelle, den Fortgang des Einsatzes und auch die Bestätigung gegenüber dem Amtsgericht.
Seit diesem Jahr bietet die Brücke Passau der Caritas bei Gewaltdelikten statt einer Strafe mit möglichem Gefängnisaufenthalt auch ein Gruppentraining für jugendliche Gewalttäter/-innen an. "Es ist speziell konzipiert", so Marc Aubry, "für junge Probanden, die verstärkt durch Gewaltdelikte auffallen". Bei diesem Anti-Aggressivitäts-Training (kurz AAT) handelt es sich um eine sehr umfangreiche Maßnahme. Aubry: "Über einen Zeitraum von vier Monaten treffen sich die Teilnehmer wöchentlich für mehrere Stunden mit dem Trainer-Team der Brücke Passau, um intensiv an ihrer Haltung zu arbeiten". Es soll aggressiven Verhaltensweisen vorbeugen oder sie abbauen, damit diese im Alltag seltener oder nicht mehr auftreten. "Wer schlägt, ist nicht stark genug, bessere Konfliktlösungsmöglichkeiten zu nutzen", so der Diplomsozialpädagoge und AAT-Trainer. Die Teilnahme erfolge meist unter Zwang im Rahmen einer Bewährungsauflage. "Das heißt in der Konsequenz auch: wird das Training nicht besucht und erfolgreich durchlaufen, droht eine Gefängnisstrafe".
Marc Aubry: "Das AAT erweist sich in der Praxis als äußerst vielversprechend". Juristen, wie der frühere Bundesverfassungsrichter Prof. Herbert Landau bestätigen es. Er hält "das Anti-Aggressivitäts-Training für eine wichtige Maßnahme im Umgang mit Gewalttätern" und hat sich immer dafür eingesetzt, "dass es als Sanktion in der Rechtsprechung Berücksichtigung findet". So hat auch das Amtsgericht Passau, vertreten durch die Direktorin Kunigunde Schwaiberger, wie Aubry bestätigt, großes Interesse an der Umsetzung eines Anti-Aggressivität-Trainings in Passau und beteiligt sich über verhängte Bußgelder ebenfalls großzügig an der Finanzierung.
Um ein ernsthaftes Umdenken zu erreichen, müssen die Jugendlichen und Heranwachsenden erst einmal verstehen, warum sie in gewissen Situationen massive Gewalt angewendet haben und dies möglicherweise auch wieder tun würden. Daher beginnt das AAT-Training mit intensiver Biographiearbeit. Aggressive Verhaltensmuster sollen durch friedfertige Lösungsstrategien ersetzt werden. Dazu gehören neben Gesprächen mit Ärzten und Polizeibeamten auch sogenannte Konfrontationstests. Die Teilnehmer werden in einem geschützten Rahmen provoziert, das Erlernte dann mehrfach erprobt und gefestigt, "um sicherzustellen, dass sie ein friedfertiges Verhalten auch draußen im echten Leben anwenden können. Den Kurs besteht also nur, wer ihn von Anfang bis Ende besucht und sich auf die Lernprozesse einlässt
Für Marc Aubry ist wichtig, dass es sich bei diesem Projekt nicht nur um Hilfe für jugendliche Straftäter handelt. "Zugleich wird hier präventiver Opferschutz betrieben". Auch die Jugendämter der Stadt und des Landkreises Passau setzen auf diesen Effekt. Deren Leiter Alois Kriegl und Stefan Geiß suchten erneut die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Caritas, als sie dieses Projekt initiierten. Die Jugendämter übernehmen auch einen Großteil der Kosten. Die Einrichtungs- und Fachbereichsleiterin, Erika Paul und die Brücke-Mitarbeiterin Renate Ascher freuen sich jetzt auf die Umsetzung des neuen Projektes.
Kontakt
Marc Aubry, Diplom Sozialpädagoge (FH) und AAT®/CT®-Trainer bei der Brücke Passau, steht unter 0851 501 89 51 und E-Mail: marc.aubry@caritas-passau.de für nähere Auskünfte zur Verfügung.